Mit Ebenbuild haben wir ein noch sehr junges Startup interviewt: Erst im April 2019 gründeten Kei Müller, Jonas Biehler, Wolfgang Wall und Karl-Robert Wichmann von der TU München. Die vier möchten die künstliche Beatmung von Patienten mit akutem Lungenversagen (ARDS) verbessern. Dabei ermöglicht ihre Software eine automatisierte, personalisierte und präzise Vorhersage der bestmöglichen Beatmungsweise und so deutlich schonendere Beatmung als bisher mit manuell eingestellten Beatmungsgeräten. Die medizinische Bedarfslücke ist eklatant, das Marktsegment riesig. Wie die Gründer nach dem Studium wieder zusammengefunden haben und welche Rolle die Hochschullandschaft für das die Gründungsinitiative gespielt hat lesen Sie im Interview….
Stellt euch bitte kurz vor: Was genau macht euer Startup und was ist das Besondere an eurer Geschäftsidee?
Wir wollen die künstliche Beatmung von Patienten mit akutem Lungenversagen (ARDS) verbessern. Bislang wird diese am Beatmungsgerät manuell anhand sehr unspezifischer Parameter wie dem Körpergewicht eingestellt. Bei Notfällen dieser Art trägt das nachweislich zu der hohen Sterberate von fast 40 Prozent bei. Das wollen wir ändern. Unsere Software erstellt CT-bildgestützt ein virtuelles, patientenspezifisches Modell der Lunge, eine Art digitalen Zwilling. Dieses Modell ermöglicht eine automatisierte, personalisierte und präzise Vorhersage der bestmöglichen Beatmungsweise und somit eine individualisierte und vor allem schonendere Beatmung als bislang. Die medizinische Bedarfslücke ist eklatant, das Marksegment ist mit weltweit ca. 6 Mio. Patienten pro Jahr und Kosten von mehr als 100.000€/Patient sehr groß. Als klinisch integrierter Cloud-Service ist unsere Lösung prinzipiell weltweit einsetzbar. Das Einsatzspektrum unserer Technologie reicht weit über den klinischen Einsatz hinaus. Sie erlaubt neben personalisierten Vorhersagen zur Therapie schwerer Atemwegserkrankungen wie bspw. COPD unter anderem auch die Optimierung von Pharma- und Medizinprodukten.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen?
Wir, d.h. Kei, Jonas, Karl-Robert und Wolfgang, kennen uns seit Langem durch unser Studium und die anschließende Promotion an Wolfgangs Lehrstuhl an der TUM. Hier haben wir leistungsfähige Simulationssoftware und Algorithmen für verschieden Anwendungen, unter anderem im biomedizinischen Bereich, entwickelt. Nach der Promotion sind wir dann getrennte Wege gegangen, bevor wir wieder zusammengefunden haben, um gemeinsam Ebenbuild zu starten.
Im Laufe der intensiven Kooperation mit klinischen Partnern hat sich herausgestellt, dass die Beatmung von ARDS-Patienten mit bestehenden Verfahren schlicht nicht mehr weiter verbessert werden kann, genau dies aber unbedingt geschehen muss. Als sich andeutete, dass die von uns entwickelte Technologie hier einen enormen Mehrwert liefern kann, erstmals eine wirklich individualisierte Therapie ermöglicht und hier zugleich große wirtschaftliche Potenziale schlummern haben wir den Sprung gewagt und Ebenbuild gegründet.
Welche Rolle spielte die Hochschullandschaft für eure Gründungsinitiative? Wovon habt Ihr besonders profitiert (Angebote, Veranstaltungen, Wettbewerbe usw.)?
Ohne die mehr als zehnjährige Vorarbeit durch Grundlagenforschung an Wolfgangs Lehrstuhl wäre unser Gründungsvorhaben nicht möglich gewesen. Wir möchten einen völlig neuartigen Ansatz ohne Umwege direkt aus der Wissenschaft zur klinischen Anwendung bringen und in Krankenhäusern etablieren. Entsprechend spielt das universitäre Umfeld für uns natürlich eine große Rolle. Dieser Technologietransferaspekt ermöglicht es uns überhaupt erst, unsere Technologie mittels der Förderung durch EXIST-Forschungstransfer binnen zwei Jahren an die Marktreife heran zu entwickeln.
Was waren die bislang größten Herausforderungen für euch?
Eine erste Finanzierung für unsere Idee aufzutreiben war nicht leicht. Die Zusage für die EXIST-Forschungstransfer-Förderung haben wir mit einer gehörigen Portion Hartnäckigkeit erst im dritten Anlauf bekommen.
Welche Empfehlung oder welchen Tipp möchtet ihr anderen Gründern und Gründungsinteressierten mit auf den Weg geben?
Einfach machen und nicht von berufs- und hobbymäßigen Unkenrufern irritieren lassen! Es gibt kaum etwas schöneres als an der Verwirklichung der eigenen Vision zu arbeiten, auch wenn es einiges an Einsatz verlangt. Zudem ist es sehr befriedigend, wenn man seine Arbeit selbstbestimmt gestalten kann und sich somit ein Stück weit „aus freien Stücken in Unfreiheit begibt“. Man sollte sich von den vielfältigen Hürden nicht abschrecken lassen. Die einen lassen sich durch die vielen guten Fortbildungs- und Unterstützungsangebote speziell für Gründer nehmen, der Rest muss mittels Hirnschmalz und Sitzfleisch überwunden werden.